Marten Frerichs

Ein Vorwort von Lukas Pusch

Sag ein paar Worte, irgendetwas, Marten hat sich gerade an dich erinnert“, bat mich Eva mit hektischer Stimme am Telefon. Ich wusste nicht, worum es ging. Wir hatten länger nichts von einander gehört. Ich war zwei Jahre zuvor von Berlin zurück nach Wien gezogen. Auf der anderen Seite der Leitung hörte ich nur noch irgendwelche schwer verständliche Laute. Es war Marten. Ich versuchte, mit ihm zu reden. Sagte ihm, dass ich mich freue, ihn zu hören, sprach über die alten Zeiten in Dresden und Berlin. Nach wenigen Minuten übernahm Eva wieder den Hörer. Marten war zu erschöpft, um weiter zu telefonieren.

Eva erzählte mir, dass Marten einen Fahrradunfall gehabt hatte. Was genau passiert war, wisse man nicht. Marten hat keine Erinnerung, lag Monate mit schwersten Verletzungen im Koma. Es war nicht klar, ob er überleben würde. Jetzt, sehr langsam, kehrte sein Gedächtnis zurück. Er müsse aber wieder gehen, sprechen und essen lernen. Ob und wie vollständig das gelänge, könnten die Ärzte nicht sagen. Er mache zwar Fortschritte, aber niemand wisse, wie groß sie sein würden. Marten jobbte vor dem Unfall zwischendurch als Fahrradbote. Seine Karriere als Künstler und Maler hatte gerade erst begonnen.

Berlin, 1999, Eva Wilde und Marten Frerichs besuchen Lukas Pusch im Krankenhaus.

Berlin, 1999, Eva Wilde und Marten Frerichs besuchen Lukas Pusch im Krankenhaus.

Jetzt war alles aus. Marten hatte weder eine Krankenversicherung, noch Unterstützung seiner Eltern. Seine einzige Hilfe war Eva, seine Freundin, von der er sich kurz vor dem Unfall getrennt hatte.

Beim Malereistudium in Dresden galten die beiden als Power couple. Um die Zukunft der zwei musste man sich keine Sorgen machen. Sie gehörten zu den talentiertesten Absolventen unseres Jahrgangs. Mit derselben Zielstrebigkeit, mit der sie früher an ihrem Werk gearbeitet hatten, wurde jetzt an Martens Genesung gearbeitet.

Das ist jetzt 15 Jahre her. Heute kann Marten wieder reden und, wenn auch manchmal mit Hilfe, wieder gehen. Aber seine motorischen Fähigkeiten blieben eingeschränkt. Vor ein paar Jahren entdeckte Marten auch wieder die Kunst. Er begann, per E-Mail Bild-Text-Collagen an Freunde zu verschicken. In diesen Collagen blitzt der alte Marten mit seinem bissigen und scharfsinnigen Humor wieder auf.

Diese Ausgabe des ANTIST beinhaltet eine kleine Auswahl dieser Arbeiten. Die Veröffentlichung fällt in das 2. Corona-Jahr. In Wien erleben wir aktuell den 4. Lockdown, ein 5. wird vorbereitet. Es sind harte Zeiten. Harte Zeiten, in denen wir von Marten Frerichs lernen können. Lernen, dass man nicht aufgibt, auch wenn man am Boden liegt. Einfach weitermachen. Sich Freiräume schaffen, auch wenn sie klein sind und der eigene Bewegungsradius begrenzt ist. Humor bewahren.

Im Dezember 2021 veranstalteten wir mit Marten Frerichs eine AUSLADUNG, eine Lesung OHNE Publikum im Rahmen meiner Ausstellung PAINTING SCULPTURES im Kunstpavillon am Milchhof in Berlin. Die erste 0 (Null) G-Veranstaltung Deutschlands. Viel Spaß bei der Lektüre.
Corona bleibt, das Leben geht weiter.

Towards a Polemic of Nonidentity: A Conversation with der Antist

By David Quigley

It begins with a polemic discussion one might overhear at a café. A contested dialogue between friends and rivals, with divergent interpretations, differing positions and antagonisms designing an abstract topography for reflection and action. Through the many disagreements, through the act of drawing abstract battle lines, discourse takes shape. What follows is a collection of moments in such a landscape, fragmentary remarks and research for an imagined conversation with Der Antist here elaborated as an introduction and polemic.
The conversation begins with a short excursion to Deleuze and Guattari’s concept of the “war-machine,” then mentioning briefly the expressionist magazines Die Aktion (1911-1932), Der Gegner (1919-1924) (and the closely related Gruppe progressive Künstler) through Die Schastrommel (1969-1974) to land at Adorno’s uncompleted work Ästhetische Theorie. The goal is to both develop a kind of genealogy, a list of precursors and direct influences and then finally, with Adorno’s philosophy (but against his own “identity politics”), to make a call for a more complex notion of the polemic in art.

Cover der ersten Ausgabe des ANTIST

Cover der ersten Ausgabe des ANTIST

First Deleuze and Guattari’s concept of the war-machine comes to mind: A social machine, an assemblage and constellation of people and ideas that forms in opposition to a given order. The war-machine (at least the affirmative Deleuzo-Guattarian understanding of the term) is anti-statist and nomadic. “The State has no war machine of its own.”  The nomadic war-machine is a conglomeration of ideas and people that posits other forms of social and intellectual order against and as a kind of escape from the given, structured, administered cosmos of the sedentary. The war-machine is a social and theoretical concept that describes a nomadic movement against the “stratified” order of the polis with the promise of establishing a new anti-administrative, anti-statist relationship to space, to identity and power. The war-machine begins with the question: “Is there a way to extricate thought from the State model?”  This is important. This is foremost an intellectual war of liberation, liberation of the mind, liberation of affects, liberation of practice from the determinate structures of a social field.
In contemporary terms this might entail calling into question given institutional structures of modern society, the triumphant historicist and institutionally secured version of reality that underlines the stratum of political legitimacy (Although this is where the whole project of the war-machine gets complicated: How to call into question a state nominally based on the universalist or progressive ideals? How to wage war against nominally democratic systems without resorting either to conservative calls to order or to revolutionary terror?).
Through the war-machine, distinctions are made that direct thought and practice towards other horizons (albeit carefully using the metaphor of the line of flight to avoid any confusion with teleology). But the question remains: how to define this conflict? How to direct the antagonistic (critical, dialectical, revolutionary. . .) forces without enclosing them in new kinds of ideology or formalisms of identity? Most importantly, how to avoid the minefield of microfascisms and ressentiment that haunt all forms of conflict? How to fight joyously?

The allegory of Der Kunstlump
In 1919, George Grosz and John Heartfield repeatedly attacked Oskar Kokoschka (who at the time was a professor at the Kunstakademie in Dresden) after he had publically called for an end to conflict after a painting (Bathseba am Springbrunnen (1555) by Rubens) had been damaged by a stray bullet during street fighting in the uprisings directly following the First World War. It is admittedly hard to take Kokoschka’s side in the debate. His seeming disregard for the people dying on the streets seems not only to lack concern for human life but also to be out of touch with the times in both aesthetic and political terms. Kokoschka:
“Ich richte an alle, die hier in Zukunft vorhaben, ihre politischen Theorien, gleichviel ob links-, rechts- oder mittelradicale, mit dem Schießprügel zu argumentieren, die flehentlichste Bitte, solche geplanten kriegerischen Übungen nicht mehr vor der Gemäldegalerie des Zwingers, sondern auf den Schießplätzen der Heide abhalten zu wollen, wo menschliche Kultur nicht in Gefahr kommt.”

Der Gegner

Der Gegner

While there were many polemic responses to Kokoschka, the most extreme was voiced by Grosz and Heartfield in Der Gegner. They were not only taking on Kokoschka. This was also a question of rethinking an entire ideology of culture, especially the art object and most of all what role it could play in society.
“In den Staatsgebäuden zur Pflege und Erhaltung der mittelalterlichen Inventare und Gebilde, eines Stabes überflüssiger Kunstbeamten, alles toten, heutigen Lebensbedürfnissen zuwidersprechenden Gerümpels, Geschreibsels und Gemales, das bestenfalls nur historischen Nachschlagewert hat für Idioten und Nichtstuer, die die Dokumente der menschlichen Dummheit, bis in die greiseste Vergangenheit greifend, preisen zu müssen glauben, hängen die verstaubten ‘Werke’ der Rubens, Rembrandts, die für uns heute nicht den geringsten Lebenswert mehr bergen. (…) Wir richten an alle, die noch nicht genug verblödet sind, die snobistische Äußerung dieses Kunstlumpen [Kokoschka] gutzuheißen, die dringende Bitte, energisch Stellung dagegen zu nehmen. Wir fordern alle dazu auf, denen es nebensächlich ist, daß Kugeln Meisterbilder verletzen, da sie Menschen zerfetzen, die ihr Leben wagen, um sich und ihre Mitmenschen aus den Klauen der Aussauger zu erretten.”

Die Aktion

Die Aktion

Franz Seiwert in Franz Pfemfert’s Die Aktion also joined in:
“Es sind ein paar Löcher in Rubenssche Schinken gekommen! Hilfe! Die Kultur ist in Gefahr! Wo soll sich der feiste Dickwanst nun seinen Kunstgenuß holen in dieser fleischlosen Zeit? (. . .) Genossen! Fort mit der Achtung vor dieser ganzen bürgerlichen Kultur! Schmeißt die alten Götzenbilder um! Im Namen der kommmenden proletarischen Kultur!”
But not everybody on the left was prepared to attack Kokoschka (and by default bourgeois culture) in these terms. The question of the destruction of art (the Dadaist and Futurist call to begin anew, tabula rasa) eventually became a fundamental conflict between artists and the official Communist Party rhetoric of Die Rote Fahne where, for example, August Thalheimer dismissed the polemics of the Dadaists as a sign of the decadence of the “declining and decaying bourgeoisie.” The Rote Fahne and the KPD’s position mirrored the official position of Lenin and Trotsky (although Trotsky would famously later recant it) and the official version of Proletkult, which all had come out to denounce futurism and formalism. . .
But what is the “moral” of this story you might ask? The reason we mention these artists and magazines in this context is clear. But why this particular story? First of all there is a conscious and explicit connection between Lukas Pusch’s own work and that of many of the Expressionists. Second, one could claim that this debate, albeit in very different terms, still remains unresolved (the debate defined on varying sides by political activists, post-painterly monteurs against (figurative) expressionist painters. . .with the missing position of Socialist Realism ready to be taken up again!). Finally, this is the perfect context to imagine Der Antist. Provocation, controversy, taking pronounced positions in debates. . . all brought up within the public sphere as discourse and as aesthetic position.
Quite frankly, I do not know which side Der Antist would have taken in this dispute. Aesthetically closer to Kokoschka (and to Socialist Realism), in spirit closer to Grosz and Heartfield. However, the very fact that we tend more to side with Heartfield, Grosz, etc. leads me to think Der Antist would take the side of Kokoschka but of course. . . with the distance of history, either side seems viable. . .

Preludium and Fugue:
On the necessity of governments in exile: Günther Brus left the gallery then the country. But first he had to bring everything to the point of crisis.
Günther Brus’s first action entitled Ana (his wife’s name) took place in Otto Muehl’s apartment in November 1964. Brus painted all of the objects in one room white. He then rolled around the room with his body itself rolled up in white cloth. At some point he began pouring black paint onto the objects in the room. He then began painting his wife, whom he thought of as a kind of “lebendiges Gemälde.” Kurt Kren documented the action with his 16 mm camera.
His second action was the famous Wiener Spaziergang from 1965, where he intended to walk from Heldenplatz past the Dorotheum to St. Stephen‘s Cathedral but was stopped by the police who arrested him for disruption of public order.  In leaving the space of the Galerie Junge Generation where the exhibition he was participating in was taking place, Brus placed his work outside of the protected space of mere experimentation. This displacement within the spatial order of the city very quickly became a threat. Today we are prone to claim that the severity of the response was due to the conservative, post-war, post-Nazi conditions of the early 1960s in Vienna. This is definitely partly true. But this kind of provocation is still possible—and not even only with more radical statements. The question of the place where this provocation takes place remains at least as important as it did nearly 50 years ago.
After the Kunst und Revolution event at the University of Vienna in 1969 where Brus was afterwards sentenced to 6 months in prison, he was forced to leave Austria.
This forced exile eventually lead to the publication of Die Schastrommel (and later Drossel. . .and much, much later to the publication of Der Antist. . .). In Oswald and Ingrid Wiener’s restaurant “Exil” in Berlin, a project was begun that would bring together the various actors in a common project as the “Organ der Exilregierung”. Günther Brus recalled its foundation:
“Im Fluß der Getränke wurde die Idee geboren, die ‘österreichische Exilregierung’  zu gründen. Mit Sitz in Bolzano. Ministerposten wurden keine vergeben, sondern jeder war ein Kaiser. Oswald Wiener ‘Kaiser für Militärkaiser’, Gerhard Rühm und ich ‘Kaiser für Inneres und Äußeres’. Und im Strome der Getränke gründeten wir das Organ der Exilregierung. Wir ergingen uns in Titelvorschlägen, als Rühm ausrief: ‘Schastrommel!’. Schon etwa drei Wochen später besorgte ich per Siebdruck den Umschlag, und ein katholischer Jugendverein druckte den Inhalt in einer Nachtschicht.”

Schastrommel

Die Schastrommel, Zentralorgan der österreichischen Exilregierung von Günter Brus

Die Schastrommel was a way to establish a collective practice and exchange of ideas outside and in explicit contradiction to Austria and the Austrian state:
“die intolerante haltung der österreichischen behörden erklärt sich aus der faschistischen vergangenheit des landes. der alpine faschismus sitzt jedem österreicher tief unter der haut. da österreich als ein von den nazis okkupiertes land gilt, konnte der österreicher keine schuldgefühle entwickeln, die ihn genötigt hätten, sich mit einer faschistischen verseuchung auseinander zu setzen. dörflerische engstirnigkeit, selbstgefälligkeit, stolz auf monarchische erbe wie spanische hofreitschule, staatsoper und schifahren machen den rest.”
Günter Brus, Oswald Wiener, Gerhard Rühm, Hermann Nitsch and Otmar Bauer. Peter Kubelka, Kurt Kren and Marc Adrian. All published in Die Schastrommel. Outwardly the Viennese film movement and Marc Adrian’s work might not share much with the Actionists. But there were numerous cross-overs both personally and professionally. But what bound them together most was their need to create new forms of art understood as new forms of living and working together. The Exilregierung was a nation within a nation (within a nation), a kind of independent collective reminiscent of Jonas Mekas’s film from 1996 ironically entitled Birth of Nation:
“Why Birth of a Nation? Because the film independents IS a nation in itself. We are surrounded by commercial cinema Nation the same way as the indigenous people of the United States or of any other country are surrounded by Ruling Powers. We are the invisible, but essential nation of cinema. We are the cinema.”
This collective practice as transformation of life through art conceived in the most basic way possible (here also thinking of the non-evolutionary understanding of “primitivism” so important for Picasso, Carl Einstein, the Surrealists, etc. which Deleuze and Guattari arguably, passing through Pierre Clastres, translated into the notion of the nomad) is the binding force for these groups. The indigenous peoples (those leading their lives between the state apparatus and capitalist megastructures) are the partially visible collectives of ‘nation-builders’ in exile. . .

Conclusion
Adorno wrote in the Aesthetic Theory: “All artworks, even the affirmative, are a priori polemical.”   “By emphatically separating themselves from the empirical world, their other, they bear witness that the world itself should be other than it is; they are the unconscious schemata of that world’s transformation.”   It is this polemic core of artworks, their mark of “distancing,” the “friction of antagonistic elements”, the artwork’s “refusal of reconciliation”   that lies at the heart of Adorno’s understanding of art’s position within modern society as something that shows what could become of the world.
The polemic of art is an “emphatic separation” from the “empirical world”. This could mean a lot of different things. First of all the most basic: this thing before your eyes, this mixture of colors and lines on canvas is more than sum of its parts. This thing is something other than what it appears to be. Second, and slightly more paradoxically, the disjunction of art implies something that is both intelligible and refuses direct identification. The artwork is both difficult even hermetic and at the same time understandable. Like communication it must share in a common field of comprehension, but at the same time it must somehow differentiate itself in its articulation from whatever is NOT art:  the polemic of an artwork is that which differentiates it from other forms of communication. In this sense the polemic is similar to Viktor Shklovsky’s theory of defamiliarization [остранение (Ostranenie)]. Poetry and art must be distinguishable from other forms of language. Third (and most importantly), art’s polemic must be seen both on a formal level and the level of philosophical aesthetics, both as an art object and as part of a more complex ‘battle’ or war (polemos) with the constellation of ideas constituting identity and the organization of the world. The artwork becomes a means to both imagine a new historical situation and to break through the “illusion of constitutive subjectivity.”  This artwork hints at new ways of conceiving experience in philosophical and socio-political terms. It is here that the polemic of the artwork resembles the polemic of the Marxist. The “world itself should be other than it is.” The artwork challenges the reigning conditions of experience with a new means of differentiation between subject and object beyond mere identification (As a disruption of the relationship between subject and object, this is not merely a correlationist game. The very goal is to go beyond any reconciliation, beyond any correlation between subject and object).
With Adorno, the artwork becomes a kind of tool for overcoming the confines of historical determinism and for breaking through, or rupturing the illusion (Trug) of constitutive subjectivity. The formal qualities of art become a means to resist the given situation, in terms of subjectivity and in terms of collective experience. “The unsolved antagonisms of reality return in artworks as immanent problems of form”  with irreconcilability, dissonance, nonidentity all referring to aspects both of artworks and the conditions of existence.  “Rather than imitating reality, artworks demonstrate this displacement to reality.”
It is here, in taking “displacement, irreconcilability, dissonance and nonidentity” seriously that one could imagine a different Adorno than what we have been accustomed: An Adorno undermining metaphysical identity but not merely through philosophical gymnastics and dodecaphony, a queer Adorno, a revolutionary jazz and critical pop-loving Adorno, a monster Adorno breaking up the conventional subject and its relations with the inner and outer world (this is a kind of crazy jump. . . I know, but just imagine it for a second!!!). In both taking Adorno’s argumentation seriously and imagining a radically other Adorno (imagine if Hector Rottweiler aka Adorno had one night alone in his Faustian Studierzimmer accidentally tuned into to Joachim-Ernst Berendt’s Jazztime Baden-Baden and heard John Coltrane’s A Love Supreme. . .), I hope to provoke a kind of other Antist waging its war against the administrative arm of “culture” and the many fascisms (both micro and macro), but leaving behind the petty concerns of modern imperial court life in Vienna (on a journey to Novosibirsk!). Dispelling with the illusion of constitutive subjectivity means being willing to turn against one’s own metaphysical foundations, engaged with a battle with what was once solid, setting a course towards a yet undefined horizon in art and experience.

1 Gilles Deleuze and Félix Guattari, A Thousand Plateaus: Capitalism and Schizophrenia. [Mille plateaux: 1980] Trans. Brian Massumi. Minneapolis: University of Minnesota Press,  1987, p.355.
2 Ibid., p.374.
3 Wolfgang Asholt and Walter Fähnders (ed.), Manifeste und Proklamationen der europäischen Avantgarde (1909–1938). Stuttgart-Weimar: Springer-Verlag, 2016, p. 204
4 John Heartfield und Georg Grosz, “Der Kunstlump (Oskar Kokoscka)”. In: Der Gegner, Volume 1, Number 12, December 1919, p. 48.
5 Franz Seiwert, “Das Loch in Rubens Schinken,” in: Die Aktion. Jg. 10, Nr. 29/30, 24. Juli 1920, pp. 418-419.
6 Brus: “Am Tag vor dieser Ausstellungseröffnung mit Aktion und Diskussion beschloß ich, dem Kompromißcharakter dieses Unternehmens gewissermaßen vorzubeugen, um meinen künstlerischen Absichten mehr Eindeutigkeit zu verleihen. Man könnte sagen, die zwittrige Aktivität dieser Galerie trieb mich von den Rattenkellern auf die Straße. Ich beschloß, als gleichsam lebendes Bild durch Wiens Innenstadt, vorbei an etlichen historisch bedeutsamen Bauwerken, zu spazieren.” ( https://www.museum-joanneum.at/neue-galerie-graz/sammlung/sammlungsbereiche/bruseum/guenter-brus )
7 Günter Brus, Das gute alte West-Berlin. Wien: Jung und Jung, 2010, p. 19.
8  Günter Brus (ed.): Die Schastrommel, N. 2, p. 20.
9 Jonas Mekas on Birth of a Nation (1996) an 81 minute movie with music by Richard Wagner, Hermann Nitsch and Jean Houston with a lecture on Parsifal: “One hundred and sixty portraits or rather appearances, sketches and glimpses of avantgarde, independent filmmakers and film activists between 1955 and 1996.”
10 Adorno, Aesthetic Theory. Trans. Robert Hullot-Kentor. Minneapolis: University of Minnesota Press, 1997, p.177.
11 Ibid., p.177.
12 Ibid., p.177.
13 Theodor W. Adorno, Negative Dialektik. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, p.10.
14 Theodor W. Adorno, Aesthetic Theory. p.6.
15 For Adorno, there is a lot at stake in art (one might argue too much. . . to which I would agree, yes, he demands too much. . . but that is the essence of art: one must always demand more of art than it can actually offer).
16 Aesthetic Theory, p.181.

Ausladung zur Lesung ohne Publikum

Herzliche AUSLADUNG zur Lesung OHNE Publikum aus dem Vorabdruck der neuen Ausgabe der Kunstzeitschrift der ANTIST.

Es liest der Künstler
Marten Frerichs

Die Veranstaltung findet im Rahmen der Ausstellung Painting Sculptures von Lukas Pusch statt.

Achtung: In Kooperation mit den zuständigen Seuchenbehörden gilt die 0 (Null) G+ Regel. Zutritt haben weder Geimpfte, Getestete noch Gesunde oder Genesene.
Besucher werden ausnahmslos angezeigt und der Polizei übergeben. Neben einem Strafgeldbescheid droht eine zweiwöchige Quarantäne mit anschließender Zwangsimpfung und Verabreichung des österreichweit erprobten Pferde-Wurmmittels Ivermectin.

Marten Frerichs
Gedichte 

Eine Lesung OHNE Publikum aus dem Vorabdruck
der neuen Ausgabe der Kunstzeitschrift der ANTIST

Samstag, 27. November 2021 ab 18.30 Uhr

Pavillon am Milchhof
Schwedter Str. 232
10435 Berlin

P.S.
ANTIST-Vorbestellungen werden bereits entgegengenommen. Aufgrund des aktuellen vierten Lockdowns in Österreich, kann es bei dem geplanten  Erscheinungsdatum Mitte Dezember zu Verzögerungen kommen.

 

 

Verschärfung im Kunstbetrieb?

von Lukas Pusch

Wer ab 1. Mai eine Ausstellung betritt, macht sich strafbar!
Am 30. April, um 22 Uhr, wurde die COVID-19-Lockerungsverordnung veröffentlicht. Diese Verordnug des Sozialministeriums regelt, was lediglich zwei Stunden später, ab dem 1. Mai in ganz Österreich und bis auf weiteres verboten ist und was nicht.

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Sehr viel „Lockerung“ nach eineinhalb Monaten Lockdown bedeutet sie nicht. Im Gegenteil, im Wesentlichen wird nur das erlaubt, was auch schon vorher nicht verboten war aber von der türkis-grünen Regierung wesentlich restriktiver kommuniziert wurde.

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An Stelle Klarheit zu verschaffen erzeugt die neue Verordnung vor allem im extrem von der Krise betroffenen Kunst- und Kulturbetrieb nur noch größere Rechtsunsicherheit. So war es Geschäften mit weniger als 400 m2 seit 14. April erlaubt, wieder zu öffnen. Das war auch der Grund, warum viele Galerien unter Einhaltung strenger Hygiene- und Abstandsregeln teilweise wieder öffneten. Lediglich Vernissagen und öffentliche Veranstaltungen waren verboten oder auf Grund der Abstandsregeln und Hygienevorschriften praktisch unmöglich.

In der nun vorliegenden Verordnung wird das Betreten von Ausstellungen explizit verboten. So heißt es unter § 9: Das Betreten folgender Einrichtungen durch Besucher ist untersagt: Museen und Ausstellungen. Welche Ausstellungen damit gemeint sind steht in der Verordnung nicht.

museeen ausstellungen
Im Klartext bedeutet das: Galerien dürfen zwar öffnen, aber sobald ein Besucher die darin laufende Ausstellung betritt, macht er sich strafbar.

Mit dieser Verordnung schafft die Bundesregierung weitere Rechtsunsicherheit in der ohnehin extrem stark von den Covid-19-Maßnahmen betroffenen Kunst- und Kulturszene in Österreich.

Wie hoch die Strafen für das Betreten von Museen und Ausstellungen sind, ist auf Grund der allgemeinen Rechtsunsicherheit schwer zu beurteilen. Im Schnitt liegen sie jedenfalls um das 10 bis 20fache höher als in anderen europäischen Ländern. In Wien wurde ein Student wegen eines Klimmzuges in einem Park mit der Zahlung von 550 Euro bestraft. Das Urteil wurde vor drei Tagen vom Verwaltungsgericht bestätigt.

Flora Sibirica

Паула Беттхер

В середине 90-х художнику Лукасу Пушу пришлось покинуть Австрию. Ранее Федеральное министерство образования и искусств письменно сообщило ему в юридическом заключении, что он «циничный провокатор против свободы и терпимости» и тем самым, «противоречащий всем основным принципам финансирования искусства в Австрии». Его «преступление» заключалось в его деятельности против растущего праворадикализма и связанных с ним ужесточения законов о предоставлении убежища мигрантам.

Это означало абсолютную изоляцию молодого художника в полностью субсидируемом австрийском бизнесе в сфере искусства и культуры. Изоляция зашла настолько далеко, что друзьям художника со ссылкой на предполагаемое сходство с работами Лукаса Пуша было отказано в возможных средствах. В свой прощальный вечер Лукас Пуш опубликовал свою книгу «Искусство и политика» и объявил, что станет пейзажистом в Дрездене. Прибыв в Дрезден, художник начал рисовать романтические мотивы Эльбы на маленьком картоне с полевым мольбертом и уменьшенной цветовой палитрой. Эти работы Лукаса Пуша были не просто панно. Они были радикальным заявлением о свободе искусства и резкой критикой реакционного арт-бизнеса, в том числе его основного венского авангарда. Они были готовностью к свободе искусства, чтобы снова довести свою собственную изоляцию до крайности. Лучше рисовать китчевые пейзажи, чем в конечном итоге стать художником-контрактником, субсидируемым государством!

O.T. (Pinius Sylvestris) aus der Serie Flora Sibirica, Öl auf Leinwand, 140x200cm, 2016, Privatbesitz, Foto: Alek Kawka

Без названия (Pinus Sylvestris) из серии „Flora Sibirica“, холст, масло, 140×200см, 2016 г., частная коллекция, фото: Алек Кавка

Этим жестом Лукас Пуш вписался в художественную традицию преследуемого политиками авангарда и современности, такую ​​как фруктовый натюрморт Гюстава Курбе, написанный в тюрьме, или картина Исаака Левитана «Владимирка». Это произведения, чьи внешне безобидные мотивы обладают огромной политической и социальной взрывной силой. В то же время они, как и пейзажи Герхарда Рихтера, написанные в разгар движения 1968 года, являются заявлением за искусство и против его политической инструментализации и перегрузки. В серии «Flora Sibirica» Лукас Пуш возвращается к этой традиции. Четырехтомник Flora Sibirica был опубликован в 1747 году немецким исследователем Иоганном Георгом Гмелином. Исследования по этому первому ботаническому описанию Сибири проводились во 2-й Камчатской экспедиции, которая длилась 10 лет и в которой Гмелин шел пешком от Санкт-Петербурга до Камчатки и обратно. Эта экспедиция, в которой участвовало около 3000 человек, стоила тогда около одной шестой годового государственного бюджета России и является одним из крупнейших экспедиционных проектов в истории.

O.T. (Sibirische Aprikose) aus der Serie Flora Sibirica, Öl auf Holz, 97x58 cm, 2016, Foto: Alek Kawka

Без названия (Сибирский абрикос) из серии Flora Sibirica, Дерево, масло, 97х58 см, 2016, Частная коллекция, фото: Алек Кавка

Первые работы по циклу Flora Sibirica Лукаса Пуша были сделаны во время его многочисленных путешествий и пребывания в Сибири. Лукас Пуш не ботаник. Его выразительные картины не связаны с научным пониманием растительного мира. «Flora Sibirica» Лукаса Пуша представляет собой живопись и жест за пределами живописи. Это относится к столетиям живого обмена и продуктивного сотрудничества между Востоком и Западом. Это заявление против новой холодной войны. Это напоминает нам о потерянных и забытых традициях, в которых Сибирь стояла не только за ГУЛАГ и подавление, но также за свободу, открытия и приключения. Тогда, когда Сибирь считалась другой Америкой.

Без названия (Dahurische Lärche) из серии Flora Sibirica, 130x180см, 2016, Частная коллекция, фото: Алек Кавка

Без названия (Dahurische Lärche) из серии Flora Sibirica, 130×180см, 2016, Частная коллекция, фото: Алек Кавка

Das betrifft uns alle!

Die EU-Urheberrechtsreform klingt harmlos, ist sie aber nicht. Durch die geplante Gesetzesänderung wird die Möglichkeit von jedem einzelnen von uns, sich frei im Netzt zu äußern, massiv eingeschränkt.

In Zukunft wird jedes Posting, jeder Beitrag über automatisierte Uploadfilter vorzensuriert werden. Wie absurd das teilweise ist, sieht man heute bereits, wenn man zB auf Facebook wegen eines geposteten Rubensgemäldes einer nackten Frau gesperrt wird. Und genau so ein Schwachsinn wird durch das neue Gesetz massiv ausgeweitet, da du in Zukunft, selbst bei Zitaten, nachweisen wirst müssen, dass du die Rechte zu dem Zitat besitzt oder es legal ist, die betreffende Stelle zitieren zu dürfen. Das stärkt die Medienkonzerne und degradiert Dich vom aktiven User wieder zum reinen Konsumenten. Das ist auch der Grund, warum dieses Thema in den großen (und in Österreich allesamt staatlich subventionierten) Medien so wenig behandelt wird.

Mehr Infos: Save the Internet

Europaweite Demos für ein freies Internet!
In über 80 Städten am 23. März, 2019

In über 80 Städten Europas wird am 23. März gegen die EU-Urheberrechtsreform demonstriert. Foto: Savetheinternet.info

In über 80 Städten Europas wird am 23. März gegen die EU-Urheberrechtsreform demonstriert.     Bild: Savetheinternet.info

Demos für ein freies Internet in Österreich

Die Artikel 11 & 13 der neuen Urheberrechtsverordnung würden zu Uploadfiltern und einer massiven Einschränkung des Internets führen

Die Artikel 11 & 13 der neuen EU-Urheberrechtsverordnung würden zu Uploadfiltern und einer massiven Einschränkung des Internets führen  Bild: Savetheinternet.info

 

Auch Wikipedia protestierte gegen die EU-Urheberrechtsreform und stellte ihre deutschsprachige Seite einen Tag offline.

Auch Wikipedia protestierte gegen die EU-Urheberrechtsreform und stellte ihre deutschsprachige Seite einen Tag offline.

 

In über 80 Städten Europas wird am 23. März gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform demonstriert. Bild: savetheinternet

Auch in Wien wird am 23. März gegen die geplante EU-Urheberrechtsreform demonstriert. Die Onlinepetition unterzeichneten 5 Millionen Personen.         Bild: savetheinternet

 

Als Schwule noch heilbar waren

Liebe Freunde, Sammler und Kunstinteressierte,

vor zwei Jahren veröffentlichte der ANTIST unter dem Titel Als Schwule noch heilbar waren das Faksimile eines 1976 geschriebenen Aufsatzes des Künstlers Karl Iro Goldblat. Karl Iro Goldblat war nicht nur langjähriges, führendes Mitglied der Muehl-Kommune, sondern auch schwul. In dem Text von 1976 beschrieb Karl, wie er durch die Kommune von seiner Homosexualität geheilt wurde.

In der streng nach Prinzipien kommunistischen Gemeinschaftseigentums und der Freien Liebe aufgebauten Gruppe galt Homosexualität als Krankheit, die zu überwinden war. Die Muehl-Kommune war das größte Nachfolgeprojekt der 1968er Bewegung und des Wiener Aktionismus in Österreich. Zu ihrem Höhepunkt zählte sie über 700 Mitglieder.
Geheilt von der Heilung, veröffentlichte Karl Iro Goldblat nun seine Autobiographie Als ich von Otto Muehl geheilt werden wollte.
Heute Abend diskutieren und präsentieren wir (wie bereits angekündigt) seine Autobiographie und die neue Ausgabe des ANTIST in der Galerie Konzett in Wien.
Völkerfreundschaft und liebe Grüße

Lukas Pusch

 

P.S.
Kürzlich musste ein vom Künstler Christian Ludwig Attersee gestaltetes Werbeplakat eines ÖSV-Skirennens eingestampft werden. Was die österreichischen GRÜNEN mit der lächerlichen Aktion zu tun haben, kann man hier nachlesen…
Die Polarisierung der Idiotie

P.S.2
Die 5. Antist-Vorzugsausgabe ist fertig!
Die Vorzugsausgaben beinhalten Originale von Klaus Theuerkauf, Victoria Lomasko, Yevgeniy Ivanov, Karl Iro Goldblat und Lukas Pusch.
Der ANTIST erscheint in einer Auflage von 200 Stück plus 25 Vorzugsausgaben.
Jedes Heft ist nummeriert. Die Vorzugsausgaben sind zusätzlich gestempelt und signiert.

 

Der Coversiebdruck des ANTIST mit einer Illustration von Alexander Brener und Barbara Schurz aus ihrem neuen Buch Ияфиопика

Der Coversiebdruck des ANTIST mit einer Illustration von Alexander Brener und Barbara Schurz aus ihrem neuen Buch Ияфиопика

 

SoldatInnen sind MörderInnen, Linolschnitt von Klaus Theuerkauf, signiert und nummeriert

SoldatInnen sind MörderInnen, Linolschnitt von Klaus Theuerkauf, signiert und nummeriert

 

Die letzte Heilung, handkolorierter Originalsiebdruck von Karl Iro Goldblat, signiert und nummeriert

Die letzte Heilung, handkolorierter Originalsiebdruck von Karl Iro Goldblat, signiert und nummeriert

 

MONSTRATION, Yevgeniy Ivanov, Fotoprint, nummeriert und gestempelt

MONSTRATION, Yevgeniy Ivanov, Fotoprint, nummeriert und gestempelt

 

White Cube Gallery Novosibirsk, handkolorierter Originalsiebdruck einer Zeichnung von Victoria Lomasko, gestempelt und nummeriert

White Cube Gallery Novosibirsk, handkolorierter Originalsiebdruck einer Zeichnung von Victoria Lomasko, gestempelt und nummeriert

 

Angela Merkel goes home, original Kartoffeldruck von Leonid und Lukas Pusch

Angela Merkel goes home, original Kartoffeldruck von Leonid und Lukas Pusch

 

Eine von Karl Iro Goldblat signierte Ausgabe seiner Biographie Als ich von Otto Muehl geheilt werden wollte

Eine von Karl Iro Goldblat signierte Ausgabe seiner Biographie Als ich von Otto Muehl geheilt werden wollte

 

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Die Polarisierung der Idiotie

von Lukas Pusch

Martin Humer war seiner Zeit voraus. Er war der einsame Vorreiter im Kampf gegen sexistische Kunst alter weißer Männer in Österreich. Der als Pornojäger bekannte, erzkonservative und reaktionäre Prophet wurde dafür zu Lebzeiten (völlig zu Recht) in den Medien verhöhnt und von der Gesellschaft belächelt. Seine spektakulären Aktionen gegen Künstler wie Nitsch, Mühl oder Lüpertz sorgten regelmäßig für Schlagzeilen, hatten aber meist keine weiteren Konsequenzen. Heute ist das anders.

Heute genügt es, wenn eine grüne Berufspolitikerin wie Faika El-Nagashi eine vom Künstler Christian Ludwig Attersee gemalte, nackte Skifahrerin auf einem ÖSV-Plakat despektierlich und „sexistisch“ findet um dieses, begleitet von medialem Beifall und allgemeiner Entrüstung, innerhalb weniger Tage einstampfen zu lassen. Dass Attersee Skifahrer auf Plakaten für Herrenrennen genauso nackt malt, wird dabei ausgeblendet.
Die heutigen Pornojäger sind nicht mehr mit Teer, Farbe und Federn unterwegs sondern in den sozialen Medien. Sie singen nicht mehr „Ave Maria“ sondern schreien „Sexismus“. Das ist effektiver.
Dabei darf nicht vergessen werden, Martin Humer war isoliert, aber nicht allein. Schon in den 1970er-Jahren hatte er ideologische Rückendeckung. Auch Feministinnen protestierten damals heftig gegen die Legalisierung von Pornographie. Eine der Wortführerinnen der bigotten Frauen war Alice Schwarzer mit ihrem prüden Zentralorgan Emma. Deren Protest gipfelte in den 1980er-Jahren in einer eigenen PornNO-Kampagne bei der, erfolglos, ein Verbot von Pornographie gefordert wurde.
Mikl-Leitner und Attersee

Die Landeshauptfrau auf Facebook, ein paar Tage später wurde das Plakat eingestampft…

Als Jörg Haider 1995 mit Plakaten gegen Künstler und sozialdemokratische Kulturpolitiker wetterte, gab es einen medialen Aufschrei. Heute, 20 Jahre später, postet die Redakteurin des TV-Senders Puls4, Corinna Milborn, lediglich:„Danke Faika El-Nagashi“, teilt die Statusmeldung der grünen Abgeordneten auf ihrer Facebook-Seite und gibt der Politkampagne damit erst richtig Legitimation und Breitenwirkung. 
In den 1980er-Jahren drohten die Freiheitlichen aus dem Nationalrat zu fliegen. Durch den scharfen Kurswechsel unter Jörg Haider konnte das verhindert werden. Im November 2017 schafften die Grünen die Kurve nicht und verfehlten den Einzug in den Nationalrat. Auch bei den kommenden Wahlen in Wien drohen ihnen herbe Verluste. Warum also nicht Erfolgsrezepte und Feindbilder des politischen Gegners kopieren, wenn es das eigene politische Überleben sichert und Ressentiments der eigenen Klientel bedient? 
„Das hat mit Kunst nichts zu tun,“ geifern Die Grünen Frauen Wien über das Attersee Gemälde auf ihrer Facebook-Seite. „Das ist einfach nur voll daneben, ignorant, unangebracht und s e x i s t i s c h!“ Jörg Haider und sein Redenschreiber Kickl hätten es für die entsprechende Wählerschicht nicht besser formulieren können.
Wie einst Haider von der Kronen Zeitung, bekommen heute auch die Grünen zielgruppengrechte, mediale Schützenhilfe – von der Tageszeitung Der Standard. Abstrahiert gemalte Nacktheit wird dort zur „gruseligen Männerfantasie“ hochstilisiert. Es werden seitenweise Bilder von nackten Attersee-Skifahrerinnen ins Netz gestellt (Der Künstler spendete dem ÖSV – welch ein Verbrechen – seit 20 Jahren zahlreiche von ihm gestaltete Plakate zu verschiedenen Wettbewerben). Die von Attersee nicht anders gemalten Nackt-Skifahrer zeigt man nicht.
Und Puls4-Redakteurin Milborn weiß: „Skirennläuferinnen sind extrem mutig. Durchtrainiert bis an die Grenze. Konzentriert. Kämpferinnen mit Biss und Willen zum Sieg.“ Und – „sie sind badass, Champions, kühn und verwegen,“ ergänzt Frau El-Nagashi, vor allem aber sind sie nicht – Achtung: weil besonders shocking – „lasziv“!  Das Geschreibsel der grünen Feministinnen liest sich wie eine Lobhudelei zu Leni Riefenstahls NS-Propagandaschinken Olympia. Die Postings werden trotzdem oder gerade deswegen hunderte Male geteilt, gelikt und unhinterfragt übernommen.
Dass Attersee Skifahrer für Herrenrennen genauso nackt malt, wird ausgeblendet.

Die nackten, skifahrenden Männer, wurden von den Attersee-Kritikern ausgeblendet…

 

Als erste Kritik an den bigotten Moralistinnen geübt wird, machen sie einen Schritt zurück, erklären: es ginge nicht um die zuvor so lautstark verteufelte Kunst, sondern um die offenen Missbrauchsvorwürfe im ÖSV. Nun stimmt zwar, dass der ÖSV völlig unfähig war, mit den Vorwürfen umzugehen, warum aber dann nicht gleich den ÖSV kritisieren? Auch das ist eine Strategie, die Jörg Haider bis zur Perfektion beherrschte: Über das Ziel hinausschießen, dabei die eigene Kernwählerschicht zufrieden stellen, Aufregung und Aufmerksamkeit erzeugen um dann – halbherzig – zurückzurudern. Jörg Haider konnte so die Regierung jahrelang vor sich hertreiben. Er schreibt selber, dass er „überrascht war“, dass „die Regierung in der Ausländerfrage immer wesentlich mehr beschloss, als die FPÖ forderte“.
Aber auch die grüne Moralaktivistin El-Nagashi kann zufrieden sein. Innerhalb weniger Tage wurde das ÖSV-Werbeplakat eingestampft, die dazugehörige Kunstedition eingezogen und ein Kunstdruck des Bildes aus der ORF-Versteigerung für Licht ins Dunkel geworfen. Der ÖSV musste sich entschuldigen, der Künstler eine knieweiche Erklärung abgeben und die niederösterreichische Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die das Plakat noch kurz zuvor voll Stolz präsentierte hatte, stand plötzlich als Sexistin da. Bravo, besser kann man die eigene grüne Kernwählerschicht nicht bedienen. 
Wie lächerlich und aufgesetzt diese von Politfunktionärin El-Nagashi initiierte Aufregung um das Attersee-Plakat war, sieht man, wenn es um Kritik an Kulturveranstaltungen der Grünen selbst geht. Kommt Sexismus und sogar Gewalt gegen Frauen mit dem richtigen ideologischen Mascherl daher, wird das verteidigt.
Als der Antist, als einziges Medium in Österreich, sich traute, ein ungustiöses Subventionsgeflecht zwischen der Künstlergewerkschaft IG Bildende Kunst, verschiedenen grünen Kulturinitiativen und dem von den Grünen unterstützen Kulturfestival Wienwoche zu thematisieren, wurden die Subventionsseilschaften von der grünen Politfunktionärin El-Nagashi wortreich im Wiener Landtag verteidigt. Zur Erinnerung: Der Antist kritisierte damals den schäbigen Umgang der IG Bildenden Kunst mit der von Zensur betroffenen Künstlerin Ines Doujak. Anstelle Ines Doujak zu verteidigen, veröffentlichte die Künstlergewerkschaft das Plakat einer grünen Kulturfunktionärin, auf dem die Zensur befürwortet und Ines Doujak unter dem Titel „Contra el Rassismo“ vergewaltigt, geschlagen und sexuell erniedrigt wird! Diese offen sexistische Arbeit wurde später prominent, in einer großen, von der mit 500 000 Euro subventionierten grünen Wienwoche, organisierten Museumsschau ausgestellt. Sexistisch ist für Frau El-Nagashi offenbar nur, was nicht nach grünem Parteibuch riecht. 
Das ist auch der Grund, warum Politiker wie El-Nagashi für mehr direkte staatliche Kunstsubventionen eintreten. Es bedeutet schlicht und einfach mehr direkte parteipolitische Macht und Kontrolle für sie. Kunst ist für El-Nagashi nichts anderes als ein verlängerter Spielball der Parteipolitik. Nicht die Gesellschaft, nicht die Künstler selbst sollen entscheiden, welche Kunst gemacht, welche Inhalte gezeigt oder aufgeführt werden, sondern der parteipolitisch abhängige Kulturfunktionär. 
Und genauso verhält es sich beim Sexismus-Bashing der Grünen. Sexismus wird dann kritisiert, wenn es der Partei etwas bringt. Das war in der Causa Pilz nicht anders als im Fall Attersee. Beim einen hat man aus parteitaktischen Gründen jahrelang geschwiegen, beim anderen aus parteitaktischen Gründen sofort und rücksichtslos losgedroschen, – nicht auszudenken, hätte Attersee nackte, einarmige BanditInnen für den Glückspielkonzern Novomatic gemalt!
Michelangel Sixtinische Kapelle Die Erschaffung Adams Foto: Jörg Bittner Unna [CC BY 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], from Wikimedia Commons

Die katholische Kirche ließ die Aktdarstellungen Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle übermalen, da diese als „amoralisch und obszön“ galten…                         Foto: Jörg Bittner Unna [CC BY 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], from Wikimedia Commons

Der Philosoph Konrad Paul Liessmann meinte, dass die Debatte um das ÖSV-Plakat von Attersee völlig lächerlich sei und sich daher jeglicher Kommentar erübrigt. Das stimmt, aber es stimmt auch nicht, da diese lächerlichen Debatten mittlerweile das gesamte kulturelle Leben verpesten. 
Wer glaubt, mit Prüderie und Riefenstahl-Ästhetik gegen sexuellen Missbrauch im ÖSV oder sonst wo anzukommen, ist auf dem Holzweg.
Die katholische Kirche ließ die Aktdarstellungen Michelangelos in der Sixtinischen Kapelle übermalen, da diese als „amoralisch und obszön“ galten. Gleichzeitig gibt es kaum eine andere Organisation, in der so systematisch und über einen so langen Zeitraum tausende Buben, Mädchen, Frauen und Männer sexuell missbraucht und vergewaltigt wurden. Über Jahrhunderte wurde darüber geschwiegen.
Die lächerlichen Übermalungen (die letzten stammten aus dem 19. Jahrhundert), wurden erst in den 1980er und 1990er-Jahren wieder entfernt. Es ist kein Zufall, dass sich, fast zeitgleich, im Geist dieser allgemeinen gesellschaftlichen Liberalisierung auch die ersten Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche meldeten und an die Öffentlichkeit gingen.
Es gibt heute keine klaren Fronten mehr, kein Gut und kein Böse, kein Sozialismus gegen Kapitalismus, Ost und West. Die Welt ist heterogener geworden. Es gibt keine klaren Bündnispartner und Gegner. Freunde in der einen Frage sind Feinde in der anderen. Wir erleben eine Polarisierung der Idiotie. Die dümmsten politischen Kräfte und Ideen beginnen zusehends das gesellschaftliche Leben zu dominieren.
Als Antwort können wir nur Felder, die uns wichtig sind, abstecken und verteidigen. Felder, in denen wir leben und arbeiten. In unserem Fall ist dieses Feld die Kunst und ihre Freiheit. Die einzige zu akzeptierende Grenze dieser Freiheit ist das Strafrecht. Alle, die diese Freiheit zusätzlich einschränken wollen, sind Feinde. El-Nagashi ist da nur das grüne Pendant zum blauen Waldhäusl. Freunde der Kunst und ihrer Freiheit sehen anders aus.